Dienstag, 10. November 2009

Klenks Watchblog Auszug...

Den Audimaxismus braucht das Land

Die Studenten demonstrieren nicht nur für sich selbst, sondern für eine neue politische Kultur in Österreich

Seit zwei Wochen schon verwandeln tausende Studenten Uni und Ring in eine Fanzone für mehr Bildung. Unser Mittelstandsnachwuchs twittert, streitet, tanzt und diskutiert.

Diese Studenten sind weder von deutschen „Demoschlachtenbummlern“ unterwandert, wie Wissenschaftsminister Johannes Hahn einem Krone-Schreiber erfolgreich einflüsterte, noch sind sie „chaotisch“. Ganz im Gegenteil, sie putzen ihr Audimax, warnen die Kommilitonen vor schlechtem Benehmen, üben sich in der Kunst der politischen Rede.

Man mag manch basisdemokratisches Soliritual verhöhnen, wie es die abgeklärten Kommentatoren von profil und Presse reflexartig taten. Doch das greift zu kurz.

Die Anliegen der Studenten sind grundvernünftig und von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Dass sie mit ihren Protesten und einer beeindruckenden (digitalen wie physischen) Vernetzung innert weniger Tage ihren Minister dazu brachten, schnell mal 34 Millionen Euro lockerzumachen, zeigt, dass man diesen Regierungsmonolith bewegen kann. Umgehend forderte WU-Rektor Christoph Badelt eine Milliarde.

Der „Audimaxismus“ ist nicht nur erfrischend, weil er sich von den Scheindebatten institutioneller Politik unterscheidet. Die steht dem Treiben ja überrumpelt (ÖH), ängstlich (Hahn) oder anbiedernd, aber inhaltlich ablehnend (Faymanns SPÖ) gegenüber. Unsere Studenten, als unpolitisch und karrieregeil geschmäht, treiben dieser Tage die Politik vor sich her, indem sie für eine neue politische Kultur eintreten. Die Politologin Verena Ringler spricht in einem Onlinekommentar auf zib21.com gar davon, dass es den Studenten in der multiethnischen österreichischen Gesellschaft darum geht, „den Gesellschaftsvertrag neu auszuhandeln“. Das mag pathetisch klingen, aber es ist völlig richtig.

Nur vordergründig geht es hier um bessere Bedingungen für die Unis, die im Bologna-Prozess europäisiert werden sollen, damit der akademische Austausch in der EU befördert wird. Hinter der Klage über Geldnot und Schikanen steht auch die Enttäuschung über das Ausbleiben von Visionen für dieses Land, dessen Grenzen nach Osten vor genau 20 Jahren fielen und das sich in einer globalen Welt nur durch mehr Bildung behaupten kann.

Die Studenten spüren, dass die großen Versprechen der Leistungsgesellschaft nicht eingehalten werden. Denn an den Unis herrscht – anders als es die Streikenden in ihren Reden beklagen – ja gerade keine „Wettbewerbsgesellschaft“, sondern eine von der Politik ausgehungerte Bürokratie, die den josephinistischen Idealen der Aufklärung nicht mehr gewachsen scheint. Nicht jene reüssieren in diesem Staat, die bildungshungrig sind, sondern jene, die „zur richtigen Zeit im richtigen Biotop leben“, wie dies der Lobbyist Walter Meischberger kürzlich für sich treffend behauptete.

Die Studenten sind somit ein Seismograf für einen gesellschaftlichen Wandel, der in Österreich von zaudernden Politeliten verschlafen wird. Die Politik trägt zwar große Worte im Mund: Sicherheit, Leistung, Gerechtigkeit, Europa. Doch wenn es um die Umsetzung dieser Ideale geht, regieren Inkompetenz und Intrige.

Nicht nur die Bestellung für die EU-Institutionen, auch die großen Debatten der letzten Monate haben das vor Augen geführt. Banken, Bildung, ORF, Justiz, Migration, Sicherheit: Über keinen Bereich wird in diesem Land noch vernünftig verhandelt.

Die Krise der Linken in Österreich ist symptomatisch dafür. Anstatt das Land zu führen und den Sozialstaat zu modernisieren, lässt sich Kanzler Werner Faymann von den Medienonkels treiben. Sein Vize untergräbt derweil mit schicken Reden den Sozialstaat, das Erfolgskonzept dieser Republik.

Wer, um in die Sprache des Finanzministers zu wechseln, „Geber und Nehmer“ wird, entschied zwar schon immer die Herkunft. Doch der Staat federte die Ungleichheit eben ab, durch kostenlose und gute Bildung.

Der Konsens dafür bröckelt, die Prioritäten werden falsch gesetzt. Wenn sogar Julius Meinl über unser Bankenpaket spottet, das den Steuerzahler unnötigerweise mit hunderten Millionen Euro belastet, sollte das zu denken geben. Ungestraft streifen Lobbyisten und Exminister Millionen ein, frech werden öffentliche Ämter per E-Mail nach Parteiräson vergeben. Vergessliche Staatsanwälte hecheln hinterher.

Die Studenten thematisieren aber nicht nur Ausbildung und Auswahl der Eliten, sondern auch das drohende Schicksal der Unterschicht.

Anstatt deren Ausbildung zu reformieren, reibt sich ein pragmatisierter Lehrergewerkschaftsblock die Hände. In Wien gehen Kindergartentanten auf die Straße, weil sie mit 900 Euro nicht auskommen. Zehntausende Migranten werden das büßen, während ihre verängstigten Nachbarn FPÖ wählen.

Das ist die Kulisse, vor der die Proteste stattfinden. Die „Generation Erasmus“ spürt, dass das Elitenversagen Auswirkungen auf ihr eigenes Fortkommen und das des Landes hat.

Medien und Parteien müssen die Aufbruchsstimmung erkennen und die wichtigsten Akteure dieser Bewegung in politische Institutionen locken. Auch diese Generation muss den politischen Alltag abseits von Twitter entdecken und befruchten. Das ist die einzige Chance der Parteien gegen Heinz-Christian Strache. Auch der lockt ja die unzufriedene, junge Masse an.

[quelle]
grüsse flo

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